Für das französische Wildwasser scheint der Augsburger Kajakfahrer Noah Hegge ein besonderes Gespür zu haben. Denn nicht nur die Olympiastrecke Vaires-sur-Marne bei Paris, sondern auch der künstliche Kanal im Whitewater Stadium von Pau in den französischen Pyrenäen sind Schauplatz seiner zwei bisher größten Erfolge. Bei den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr gewann der Schwaben-Kanute die Bronzemedaille im Kajak Cross, am Wochenende nun fuhr der 26-Jährige in Pau zu seinem ersten Weltcup-Sieg im Kanuslalom. „Ein Erfolg, auf den ich sehr lange hingearbeitet habe“, sagt er und ergänzt, „eine internationale Einzelmedaille im Kanuslalom, das ist ein sehr erleichterndes Gefühl. Vor allem nach dem letzten Jahr.“
Denn nach dem Gewinn der olympischen Bronzemedaille waren auf den jungen Kanuten viele Eindrücke eingeprasselt. Medien- und Sponsorentermine waren zu absolvieren, Einladungen, Interviews und viele weitere Termine. Der sportliche Höhepunkt hingegen, auf den sich Hegge über mehrere Jahre fokussiert hatte, war vorbei. Da sei es anspruchsvoll gewesen, sich neue Ziele zu stecken, räumt Hegge ein. Doch gemeinsam mit seinem Team habe er sich Zeit genommen, Training und sportliche Ansprüche neu zu definieren. „Nach dem letzten Jahr war das eine mentale Herausforderung“, gesteht Hegge. Aber die Motivation sei schnell wieder da gewesen. Mit einigen veränderten Eckpunkten habe er versucht, die richtige Balance zwischen Profisport und Auszeiten zu finden. Nach dem Weltcupsieg in Frankreich zeigt sich, dass ihm das gelungen ist. „Ich fühle mich gerade sehr wohl und bin sehr sehr happy.“
In Spanien kassierte Noah Hegge 50 Strafsekunden wegen eines verpassten Tores
Dabei hatte sich Noah Hegge nach der nationalen Qualifikation Ende April, die er im K1 souverän gewonnen hatte, auch durch den Rückschlag beim Weltcup-Auftakt in Spanien nicht verunsichern lassen. Das Finale hatte er durch einen groben Fahrfehler im Schlussabschnitt verpasst. Mit 50 Strafsekunden aufgrund eines verpassten Tores landete er abgeschlagen auf Rang 76. Auch im Kajak Cross lief es nicht gut. In Pau bewies Hegge aber dann, wie sehr er sich mental verbessert hat, wie stark bei ihm nun Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen sind. „In den letzten Jahren hatte ich immer wieder Probleme, wenn ich in eine besondere Drucksituation kam. Jetzt habe ich einen Weg gefunden. Ich konzentriere mich nur noch auf meine Startzeit“, beschreibt er seinen neuen Fokus. So wurde es für ihn nebensächlich, dass er nach dem gewonnenen Halbfinale in Pau als Letzter im Finale an den Start gehen musste. Und er konnte dadurch einen ähnlich perfekten zweiten Lauf den Kanal hinunter zaubern.
Dass der Auftritt des deutschen Kanu-Teams in Frankreich gleich doppelt erfolgreich verlief, dafür sorgte Hegges Teamkollegin Ricarda Funk, die ebenfalls im Kajak Einer den Weltcup-Sieg holte. Die 33-jährige Rheinländerin, die seit vielen Jahren in Augsburg lebt und trainiert, ist in dieser Saison bereits Europameisterin geworden und unterstrich in Pau einmal mehr ihre Spitzenklasse. Mit 1,22 Sekunden Vorsprung holte sie sich den Sieg. Ihre junge Teamkollegin, die erst 22-jährige Emily Apel von Kanu Schwaben Augsburg, die ihre erste Weltcup-Saison in der Leistungsklasse absolviert, landete auf dem respektablen 13. Platz.

Elena Lilik paddelt nach ihrer Hand-Operation wieder zum Sieg
Beim nächsten Weltcup vom 27. bis 29. Juni in Prag wird Emily Apel dann voraussichtlich große familiäre Unterstützung bekommen. Denn nach ihrer Hand-Operation könnte ihre Schwester Elena Lilik, die olympische Silbermedaillengewinnerin von Paris im Canadier Einer, wieder auf die internationale Bühne zurückkehren. Ihr erster ernsthafter Praxistest beim Deutschland Cup im tschechischen Veltrusy verlief gleich höchst erfolgreich. Scheinbar unbeeindruckt von der OP ging die Schwaben-Kanutin wie gewohnt gleich in beiden Bootsklassen, im Kajak Einer und im Canadier Einer, an den Start. Und die Hand hielt. Lilik lieferte zwei Tage lang starke Rennen ab, obwohl sie seit den Spielen in Paris keinen Wettkampf mehr bestritten hat. Sie siegte an beiden Tagen sowohl im Kajak Einer als auch im Canadier Einer. Obwohl ihr in ihrer Paradedisziplin sogar noch eine Torstangenberührung unterlief, fuhr sie im letzten Rennen trotzdem mit einem Vorsprung von 9,21 Sekunden auf die Zweitplatzierte Lucie Krech (KC Leipzig) zum Sieg. Damit dürfte die Augsburgerin fürs 3. Weltcup-Wochenende vom 27. bis 29. Juni in Prag wieder eine heiße Kandidatin für das deutsche Team sein.
Nächster Kanu-Weltcup findet in Prag statt
Auch Noah Hegge will in Prag noch einmal angreifen, bevor eine kurze Sommerpause ansteht. „Der Kurs in Prag ist eine klassische Kanustrecke. Die Walzen und Wellen sind sehr konstant, die Strömung nicht ganz so schnell. Die Strecke ist sehr technisch, deshalb freue ich mich drauf“, sagt der Augsburger, der hofft, sich danach in Ruhe auf die wichtige zweite Saisonhälfte vorbereiten zu können. Denn die bringt mit dem Weltcup-Finale in Augsburg (5. bis 7. September) am Eiskanal) und der Weltmeisterschaft in Penrith/Australien (4. bis 7. Oktober) noch zwei weitere große Höhepunkte und ausreichend Gelegenheiten, weitere Einzelmedaillen zu sammeln.
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